"Ich glaube, dass die Synthese der dem Ohr eingängigen Melodien mit einer neuartigen rücksichts- losen Harmonik und harten ver- wegenen Rhythmik etwas ganz Neues ist, das Sie der Opernbühne bringen." Das schrieb Librettist Max Brod kurz vor der Urauffüh- rung der Oper Nana an den Kom- ponisten Manfred Gurlitt, der das Werk geschaffen hat.
Gurlitt (1890 bis 1972) wuchs in Berlin auf, und studierte dort am Sternschen Konservatorium Musiktheorie und Komposition. Er assistierte einigen namhaften Kapellmeistern, und begann dann selbst eine derartige Laufbahn. 1924 wurde er in Bremen Generalmusikdirektor; drei Jahre später wechselte er an die Kroll-Oper nach Berlin. Doch seine Karriere brach dann ab, weil ihn die Nazis zum "jüdischen Mischling zweiter Ordnung" erklärten, was den Ausschluss aus der NSDAP und eine spürbare Beschränkung seiner künstlerischen Tätigkeit mit sich brachte.
Kurioserweise rettete Gurlitt vor dem Rassenwahn nicht einmal die eidesstattliche Erklärung seiner Mutter, er sei mitnichten ein Sohn des Kunsthändlers Fritz Gurlitt, dessen Mutter eine Jüdin war, sondern das Resultat ihrer Beziehung zu dessen Geschäftsführer Willi Waldecker (den Annarella Gurlitt nach dem Tode ihres Ehemannes umgehend geheiratet hat). 1939 ging Gurlitt nach Japan, wo er als Professor an der Kaiserlichen Musikakademie wirkte, und als Dirigent der Fujiwara Opera Company. Später gründete er die Gurlitt Opera Company, die er bis 1970 leitete. Mit diesen Ensembles führte er zahlreiche europäische Opern erstmals in Japan auf - zumeist in japanischer Sprache - und prägte somit das Musikleben des Landes stark.
In Deutschland konnte er sich nicht wieder etablieren. Zwar erhielt er 1957 das Bundesverdienstkreuz, und 1958 erlebte endlich auch seine Oper Nana, die er in den 30er Jahren komponiert hatte, am Theater Dortmund ihre Premiere. Doch Gurlitts Werke konnten sich im Musik- betrieb, der sich in jenen 20 Jahren ja ebenfalls weiterentwickelt hatte, nicht behaupten. Und so gerieten sie in Vergessenheit.
Das Label Crystal Classics hat sich nun die Rehabilitation Manfred Gurlitts auf seine Fahnen geschrieben. In Weltersteinspielungen erschienen dort einige wichtige Werke des Komponisten: Die Goya-Symphony sowie die Vier dramatischen Gesänge für Sopran und Orchester mit der exzellenten Sängerin Christiane Oelze und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Antony Beaumont, Wozzeck mit diversen Solisten, dem Rias-Kammerchor und dem Rundfunk-Kinderchor Berlin sowie dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter Gerd Albrecht. Und natürlich die Oper Nana, 2010 wieder- aufgeführt am Theater Erfurt und hier zu hören in einem Live-Mitschnitt.
Es ist die Geschichte einer jungen Dame, die durch einen Theater- direktor entdeckt wird - im Bett seines Operettenkomikers. Sie zeichnet sich nicht unbedingt durch Talent aus, ist aber hübsch und hat lange Beine. Und so bestätigt die Geschichte einmal mehr den bösen Spruch, dass Männer ohnehin besser sehen als hören können. Denn Nana macht rasant Karriere, auf der Bühne ebenso wie in der Männerwelt. Dass dies ein schlimmes Ende nehmen wird, ist keine Überraschung.
Zu hören sind Solisten und Opernchor des Theaters Erfurt sowie das Philharmonische Orchester unter Enrico Calesso. Die Aufführung hat leider Stadttheater-Niveau - aber die Oper ist interessant, und deshalb ist diese 3-CD-Box musikhistorisch durchaus spannend.
Montag, 4. Februar 2013
Gurlitt: Nana (Crystal Classics)
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