"Das europäische 19. Jahrhundert ist aus musikalischer Sicht ein äußerst interessantes", schreibt Ramón Ortega Quero im Begleitheft zu dieser CD: "Es ist die Zeit der Rebellion und der Befreiung des Komponisten von seinen Mäzenen und Auftraggebern: Dem Adel, den Königen, Kaisern und Kirchen. Komponisten verkaufen nicht mehr ihre Seele an denjenigen, der sie bezahlt oder folgen vorgegebe- nen Ideen, sondern enthüllen ihre intimsten Emotionen und Gefühle, nehmen sich Freiheit bei der Themenfindung, bei der Form und beim Stil ihrer Werke - die Musik wird persönlicher. Der Komponist schreibt in die Partitur, was er ausdrücken muss."
Ramón Ortega Quero lädt den Hörer ein, ihn auf eine musikalische Reise durch das Europa der Romantik zu begleiten - "aus meiner Perspektive, der Sicht eines Oboisten. Hierfür habe ich verschiedene Komponisten, welche in musikalischer Hinsicht die wichtigsten Länder repräsentieren, ausgewählt, und von jedem dieser Kompo- nisten ein besonders charakteristisches Werk." Gemeinsam mit Pianistin Kateryna Titova spielt der Oboist Werke von Robert Schumann, Johann Wenzel Kalliwoda, Casimir-Théophile Lalliet und Antonio Pasculli. Immerhin zwei dieser Komponisten waren selbst Oboenvirtuosen - was auf ein erstaunliches Phänomen hinweist. Denn für die Oboe, dieses gefühlt gefühlvollste aller Blasinstrumente, gibt es verblüffend wenig Solo-Repertoire. So haben Lalliet und Pasculli bekannte Melodien anderer Komponisten als Grundlage für Variatio- nen genutzt, die man noch heute gern hört.
Es ist und bleibt ein Manko: Die sogenannten Romantiker haben deutlich mehr Violinkonzerte geschrieben als Werke für Oboe. Albrecht Mayer, Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker, hat auf seiner CD Schilflieder bereits einige dieser Stücke vorgestellt, darunter die Drei Romanzen op. 94 von Robert Schumann. Sie spielt auch Ramón Ortega Quero: "Drei kurze Lieder ohne Worte mit intimem Charakter und abruptem Wechsel der Emotionen - dieses Werk ist das beste originale Werk dieser Zeit für Oboe", begeistert sich der Solo-Oboist des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Die Drei Fantasiestücke op. 73 hingegen hat Schumann für Klarinette komponiert. Ortega Quero meint, dass aber der Oboenton für diese Musik ideal ist - der Zuhörer wird gern bestätigen, dass er zumindest eine reizvolle Alternative darstellt.
Und wie Musiker es stets gehalten haben - seltsamerweise glauben sie aber heute, sich dafür rechtfertigen zu müssen - hat Ramón Ortega Quero auch selbst zwei Werke für die Oboe bearbeitet - das Impromp- tu op. 90 Nr. 3 von Franz Schubert und die berühmte Lenski-Arie aus Tschaikowskis Oper Eugen Onegin.
Ramón Ortega Quero beeindruckt mit enormer Virtuosität und mit einem einem schönen, singenden Oboenton, der etwas kerniger erscheint als der seines Berliner Kollegen. Kateryna Titova erweist sich als brillante musikalische Partnerin. Es lohnt sich, genauer hinzuhören, denn ihr Spiel ist nuancenreich - auch wenn sie es hier dem Solisten beiordnet. Wer den Klang der Oboe schätzt, der wird diese CD lieben.
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