Johann Adam Hiller (1728 bis 1804) lernte am Gymnasium in Görlitz und an der Kreuzschule in Dresden. 1751 begann der Sohn eines Lehrers und Gerichtsschreibers ein Jura-Studium in Leipzig. 1754 wurde er Hauslehrer bei Graf Heinrich von Brühl. 1759 startete er die erste deutsche Musik- zeitschrift – sie hieß Der musikali- sche Zeitvertreib. Hiller sorgte zudem für die Wiederbelebung der Tradition des Großen Concerts, das im Sieben- jährigen Krieg eingestellt worden war.
Er leitete die Musikübende Gesell- schaft, und er dirigierte 1781 das erste Gewandhauskonzert, zur Ein- weihung des großen Saals im Messehaus der Tuchhändler. Auch als Gesangspädagoge hatte Hiller einen exzellenten Ruf. Aus seiner Singschule sind berühmte Sängerinnen hervorgegangen, wie Gertrud Elisabeth Mara oder Corona Schröter.
Von 1789 bis 1801 wirkte Hiller als Thomaskantor. Er veröffentlichte ältere Werke, die er als gut ansah, um sie vor dem Archivschlaf zu bewahren, und komponierte zudem selbst. Seine eigenen Werke aber sind heute weit- gehend vergessen. Das gilt sowohl für seine Singspiele, Vorgänger der deutschen Spieloper, als auch für seine Kirchenmusik. Rainer Johannes Homburg hat mit seinen Stuttgarter Hymnus- Chorknaben nun drei bedeutende Werke Hillers eingespielt.
Das lohnt durchaus, wie die eindrucksvolle Stuttgarter Interpretation des 100. Psalms beweist. Hillers Vertonung besteht aus fünf Sätzen. Drei davon sind für den Chor bestimmt, sie rahmen ein Duett von Sopran und Alt sowie eine Tenor-Arie ein. Schon der festliche Eingangschor Jauchzet dem Herrn, alle Welt lässt keine Zweifel daran, dass Hiller sein Handwerk versteht. Und in den sehr dankbaren Solopartien können die Sänger sowohl ihre Ausdrucksstärke als auch ihrer Virtuosität demonstrieren. Es folgt die Motette Lass sich freuen alle nach Psalm 5, 12-13. Dieses anspruchsvolle Stück für vierstimmigen Chor a cappella wird von dem Stuttgarter Knabenchor höchst achtbar gesungen.
Ein musikhistorisches Kuriosum erklingt dann: Pergolesis „vollständige Passionsmusik zum Stabat mater mit der Klopstockischen Parodie; in der Harmonie verbessert, mit Oboen und Flöten verstärkt und auf vier Singstimmen gebracht von Johann Adam Hiller“. Ohne diese Bearbeitung wäre Pergolesis berühmtes Werk wohl heute keineswegs so bekannt. Während Bach das Original nutzte, um daraus die Kirchenkantate Tilge, Höchster, meine Sünden BWV 1083 zu formen, hat Hiller Pergolesis Musik, die mitunter ziemlich schroff kontrapunktisch-chromatisch verzweifelt daherkommt, in einem überraschenden Ausmaß weichgespült. Dazu tragen sowohl die Bläser als auch die vielfach umgeformten Mittel- stimmen bei. Den lateinischen Text der Ausgangsversion, katholisch, hat Hiller ersetzt durch Friedrich Gottlieb Klopstocks pietistisch-empfindsame Dichtung. Sie stellt anstelle der trauernden Gottesmutter Christus als Erlöser in den Mittelpunkt der Betrachtung – und machte so den alten Hymnus für evangelische Christen verständlich und akzeptabel. Der Dichter brachte dabei das Kunststück fertig, den Text ziemlich perfekt an den jeweiligen Ausdruck der Musik anzupassen. Es wird nicht verwundern, dass Klopstocks Dichtung hierzulande lange weitaus präsenter war als ihr Vorbild. Auch Hillers Bearbeitung, die ziemlich geschickt zwei zusätzliche Singstimmen integriert, blieb bis weit in das 19. Jahrhundert hinein populär.
Insofern ist es erfreulich, dass sie nun auch auf CD dokumentiert ist. Als Solisten zu hören sind Veronica Winter, Thomas Riede, Knut Schoch und Thomas Laske. Den Orchesterpart hat die Handel's Company übernom- men. Dieses Stuttgarter Ensemble musiziert sehr klangschön auf historischen Instrumenten. Homburg setzt insbesondere beim Stabat mater ganz auf Noblesse und auf einen ruhigen, besinnlichen Fluss. Die Textverständlichkeit allerdings lässt fast durchweg zu wünschen übrig.
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