Daniel Ottensamer, seit 2009 Solo-Klarinettist der Wiener Philharmo- niker, ist in Wien geboren und aufgewachsen. Seine Debüt-CD bei Sony Classical hat er seiner Heimatstadt gewidmet. Um das Klarinettenkonzert KV 622 von Wolfgang Amadeus Mozart, das der Musiker im Mai 2014 gemeinsam mit dem Salzburger Mozarteumorchester unter Paul Goodwin auf einer Spanientournee gespielt hat – der Mitschnitt auf dieser CD stammt aus Pamplona – hat er noch weitere Werke gruppiert, die dem legendären Wiener Charme und Schmelz nachspüren. Dabei musiziert er mit dem Mozarteumorchester ohne Dirigenten. Das Zusammenspiel funktioniert dennoch bestens, und ist so perfekt abgestimmt, als würden die Beteiligten Kammermusik vortragen.
Mit zwei Liedvertonungen von Franz Schubert zu beginnen, das ist, wenn es um Wien geht, keine schlechte Idee. Und Ottensamer lässt seine Klarinette wundervoll singen. Doch bevor das Ständchen („Leise flehen meine Lieder“) zum Kitsch gerinnt, übernimmt der Solist flugs einen Teil des Zwischenspiels, und mit den virtuosen Passagen fliegt auch die Sentimentalität dahin. Nicht ohne Ironie schickt Ottensamer anschließend einen Gruß an die Elbe: L'abeille stammt aus einem Zyklus von Bagatellen für Geige und Klavier, komponiert um 1860 vom Konzertmeister der Staatskapelle Dresden, der sich allerdings François Schubert nannte. Das pfiffige Arrangement für den Flug des Bienchens, wie für die beiden anderen Schubert-Stücke, stammt von dem Geiger Erich Schagerl, der ebenfalls bei den Wiener Philharmonikern musiziert.
Mozarts berühmtes Klarinettenkonzert erklingt hier in der bekannten Version für A-Klarinette. Ottensamer begeistert mit seinem sinnlichen, runden Ton, der auch in schnellen Läufen und in der Höhe niemals kippt, nie grell und spitz wird. Seine Phrasierung ist vorbildlich, und sein Zusammenspiel mit dem Mozarteumorchester ist ungemein harmonisch. Wie die Melodie des Solisten hier aus dem Orchesterpart heraus erblüht, ganz dezent und ohne sich plump in den Vordergrund zu drängeln, das ist schlicht hinreißend. Obwohl dieses Konzert sehr viel gespielt wird, ist Ottensamer damit ohne Zweifel eine Referenzaufnahme gelungen.
Mit Mozart setzt der Klarinettist sein Programm dann fort – es erklingt eine Melodie aus seiner Oper Don Giovanni, in Variationen von Ludwig van Beethoven, arrangiert für Klarinette und Orchester von Simeon Bellison, einem legendären Virtuosen aus Moskau, der in den USA berühmt wurde. Entsprechend anspruchsvoll ist diese Musik; das gibt Ottensamer Gelegenheit, seine exzellente Technik zu demonstrieren. Wiener Hits aus dem 19. Jahrhundert von Joseph Lanner, Josef Strauss und Philipp Fahrbach Sr. komplettieren die Werkauswahl. Und zum Abschluss erklingt eine Improvisation, Ottensamer pur sozusagen. Ein gelungenes Konzept- album, und zugleich das hochklassige musikalische Porträt eines jungen Virtuosen, der schon heute zu den Besten seines Faches gehört.
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