Als die Oper Catone in Utica von Leonardo Vinci nach einem Libretto von Pietro Metastasio 1728 in Rom am Teatro delle Dame erstmals erklang, standen ausschließlich Männer auf der Bühne. Frauen durften in der Stadt, in der der Papst residierte, nicht auftreten. Und so wurden nicht nur die heroischen männlichen Rollen dieser Oper – Cesare, Fulvio und Arbace – sondern auch die beiden weiblichen Rollen, Marzia und Emilia, von Kastraten gesungen. Tiefere Männerstimmen waren seinerzeit nur in den Partien der Bösewichte und der Senioren zu hören. So war auch hier der betagte Titelheld mit einem Tenor besetzt.
Bei der Uraufführung waren gleich drei große Stars zu hören: Cesare, der Eroberer, der Catone, den letzten aufrechten Verfechter der römischen Republik, belagert, wurde von Giovanni Carestini gesungen. Die Partie der Marzia, der Tochter Catones, die Cesare liebt, aber aus politischen Gründen Arbace heiraten soll, komponierte Vinci für Giacinto Fontana, einen Sänger, der Frauenrollen so erfolgreich verkörperte, dass ihn das Publikum Farfallino – „kleiner Schmetterling – nannte. Und der Arbace, König von Numidien und ein treuer Verbündeter Catones, wurde von Giovanni Minelli gesungen.
Die Oper bietet große Gefühle, grandiose Szenen, ganz erstaunliche Musik, und am Ende eine herbe Enttäuschung – denn Catone tötet sich selbst, er stirbt quälend langsam auf offener Bühne, und Cesare verflucht seinen Sieg und wirft den Lorbeer weg. Niemand bekommt, was er wollte; auch die Verliebten finden nicht zueinander. Bei den Römern ist diese Oper wohl durchgefallen, denn die fanden das Finale gar nicht witzig. Metastasio jedenfalls änderte später das Libretto; er ließ von Catones Tod nur noch berichten, und den Liebespaaren verpasste er das gewohnte lieto fine.
Gleich vier Countertenöre konnte Decca für diese Einspielung von Catone in Utica aufbieten: Valer Sabadus ist als Marzia zu hören und Vince Yi als Emilia, Franco Fagioli sang den Cesare, und Max Emanuel Cencic den Arbace. Die Partie des Catone übernahm Tenor Juan Sancho, und als Fulvio ist der Tenor Martin Mitterrutzner zu hören. Das Ensemble Il Pomo d’Oro musiziert gewohnt gekonnt unter Leitung von Riccardo Minasi. Die Aufnahme ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Auseinandersetzung mit noch immer in den Archiven schlummernden barocken Opernschät- zen; sie wurde zu Recht 2016 mit einem Echo Klassik ausgezeichnet.
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