Die Violinistin Ilona Then-Bergh und der Pianist Michael Schäfer, beide Professoren an der Hoch- schule für Musik und Theater in München, haben eine gemeinsame Leidenschaft: Sie graben nach ver- sunkenen musikalischen Schätzen - Werken für ihr jeweiliges Instru- ment oder für die Kammermusik, die aus dem Konzertleben ver- schwunden sind, die sie aber für eine Bereicherung des Repertoires halten.
Genuin Classics hat eigens für solche Wiederentdeckungen die Reihe Unerhört eingerichtet. So spielt Schäfer derzeit für das Leipziger Label die Klavierwerke von Vincent d'Indy ein. Und auf der vorliegenden CD stellen die beiden Musiker Werke aus der Zeit der Jahrhundertwende vor - vom 19. zum 20. Jahrhundert, wohlgemerkt.
Sylvio - eigentlich Josef Fortunat Silvester - Lazzari, geboren 1857 in Bozen, ging nach dem Jura-Examen nach Paris, wo er am Pariser Konservatorium Komposition studierte, unter anderem bei Charles Gounod. Er blieb in Frankreich, bis zu seinem Tode 1944. Musikalisch steht er zwischen zwei verehrten Meistern, seinem Lehrer César Franck und - Richard Wagner. Formal erscheint seine Violinsonate in E-Dur in op. 24 ziemlich konventionell; sie folgt dem Modell, das für große Konzertsonaten seit Beethoven gesetzt ist. Das Werk beginnt im Unisono, und serviert auch sonst in erster Linie eine große Portion Pathos - mein Geschmack ist es nicht. Das zweite Stück, Lazzaris Scherzo für Violine und Klavier aus dem Jahre 1931, wirkt etwas eleganter, humorvoller.
Auch der Schweizer Komponist Volkmar Andrae (1879 bis 1962) ist vielleicht noch am ehesten bekannt durch sein Eintreten für das Werk Bruckners, das er immer wieder dirigiert hat. Das ist in der Tat schade, denn seine Sonate für Violine und Klavier in D-Dur op. 4, die er als 25jähriger schrieb, zeigt nicht nur, dass der junge Mann hand- werklich sehr solide agiert. Sie beweist auch, dass es ihm an Kühnheit nicht mangelt, seinen eigenen Weg zu gehen. Denn Brahms und Wagner in einem Stück hörbar werden zu lassen, das war zur Zeit des Fin de Siècle, als die Kritiker noch mächtig und wortgewaltig waren, schon ziemlich mutig.
Ilona Then-Bergh und Michael Schäfer engagieren sich spürbar für ihre Entdeckungen. Dennoch bleibt am Ende das schale Gefühl, dass diese Werke nicht ganz zu unrecht im Nebel der Zeiten verschwunden sind. Sie lassen nicht wirklich aufhorchen, und es fehlt ihnen die Ori- ginalität, die musikalische Handschrift eines Strauss, die Extravaganz eines Satie oder die Experimentierfreude eines Schulhoff.
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