Ton Koopman verdanken wir viele bedeutende musikalische Entdek- kungen und Einspielungen. Erinnert sei hier an seine Gesamtaufnahmen des Orgelwerkes sowie der Kantaten von Johann Sebastian Bach. Die Auseinandersetzung mit diesen Werken hat – glücklicherweise – Koopmans Aufmerksamkeit auf einen weiteren Komponisten gelenkt, von dem Bach sehr viel gelernt hat: Dieterich Buxtehude (1637 bis 1707).
Warum ist Bach seinerzeit im November 1705 vom thüringischen Arnstadt nach Lübeck gewandert, und wieso blieb er dort wesentlich länger, als ihm vom Rat der Stadt zugestanden worden war? Diese Frage trieb wohl auch Koopman um. Eine Antwort liegt nahe: Buxtehudes Vokalmusik erklang an der Marienkirche in Lübeck nicht im regulären Gottesdienst, sondern in den sogenannten Abendmusiken, alljährlich an fünf Sonntagen nach dem Martinstag, also dem 11. November.
Damit waren die Kompositionen nicht liturgisch gebunden. Buxtehude war sowohl in der Auswahl der Inhalte als auch der Formen frei, und so schuf er Arien, Konzerte und Kantaten auf der Grundlage kirchlicher Hymnen sowie biblischer oder poetischer Texte. In den Abendmusiken erklangen aber auch Instrumentalwerke – und was die Orgelmusik angeht, war Buxtehude der berühmteste Protagonist der Norddeutschen Orgelschule.
Verblüffenderweise werden seine Werke, insbesondere seine Instrumental- und Vokalmusik, heute bis auf wenige Ausnahmen äußerst selten aufge- führt. Auch wenn Bruno Grusnick (1900 bis 1992) sich große Verdienste um die Erschließung des Notenbestandes insbesondere auch der Sammlung Düben erworben hat, ist eine historisch-kritische Edition derzeit immer noch nur für einige wenige Werke verfügbar. Der Carus-Verlag hat diese Ausgabe begonnen; die Orgelmusik erscheint aber wohl bei Bärenreiter.
Trotz dieser Schwierigkeiten hat sich Ton Koopman mit seinem Amster- dam Baroque Orchestra and Choir sowie einer großen Schar engagierter Solisten an eine Gesamtaufnahme gewagt. 2005 begann er das Projekt „Dieterich Buxtehude – Opera Omnia“. Mittlerweile ist diese Kollektion vollendet. Koopman hat dafür bei seinem eigenen Label Antoine Marchand den kompletten Buxtehude eingespielt, die Vokal- und Kammermusik ebenso wie die Kompositionen für Orgel und Cembalo, die er selbst auf historischen Instrumenten interpretiert.
Und man muss sagen, diese Arbeit hat sich gelohnt. Denn die Musik ist wirklich beeindruckend. Die Aufnahmen zeigen allerdings auch, dass die Vokalwerke Buxtehudes zumeist durch eine normale Kantorei nicht ohne weiteres aufzuführen sind. So werden sie wohl Musik für professionelle Ensembles bleiben. Hören freilich möchte man sie gern öfters.
Man mag sich kaum vorstellen, was für ein Kraftakt die Vorbereitung einer solchen Gesamteinspielung gewesen sein dürfte. Es ist kaum zu glauben, aber Ton Koopman hat im Oktober 2014 seinen 70. Geburtstag gefeiert. Für den Ruhestand hat er gar keine Zeit: Die Webseite verrät es – der Kalender des Dirigenten, Organisten, Cembalisten und Musikwissenschaftlers ist voll wie eh und je. Wir gratulieren, wenn auch mit Verspätung, und wir freuen uns schon auf die nächsten Projekte.
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