Was ist ein „Volkslied“, was ein „Kunstlied“? Mit dieser Frage hat sich Christian Gerhaher intensiv beschäf- tigt – und ein auch für das Publikum außerordentlich lohnenswertes Pro- gramm zusammengestellt.
FolksLied lädt ein zu einem Streifzug durch die Musikgeschichte, und präsentiert zugleich eine Liedaus- wahl, die so nur sehr selten zu hören ist, noch dazu teilweise in der unge- wöhnlichen Besetzung für Gesang und Klaviertrio.
Instrumentale Partner sind dem Bariton dabei sein langjähriger Klavierbegleiter Gerold Huber, sowie Anton Barachovsky, Konzertmeister und Sebastian Klinger, Solo-Cellist des BR-Symphonieorchesters. Diese Zusammenarbeit ist kein Zufall: Entstanden ist dieser Konzertmitschnitt während Gerhahers Aufenthalt als Artist in Residence beim Symphonie- orchester des Bayerischen Rundfunks.
Bei der Auseinandersetzung mit dem Konzept des „Volksliedes“ griff der Sänger auf Lieder aus England und Schottland zurück. Dort wurde dieses Erbe schon wesentlich früher dokumentiert als in Deutschland, und die Sammeltätigkeit war auch nicht vordergründig auf die Texte aus, „sondern schloss von vorneherein die Melodien mit ein“, berichtet Christian Gerha- her im Begleitheft zur CD. „Und so kam es hier sehr früh zu professionellen Bearbeitungen und Arrangements“ – unter teilweise kuriosen Begleitum- ständen, wie der Bariton am Beispiel des zweiten Auftrages erläutert, der einst an Joseph Haydn ging: „Schon wieder in Wien, erhielt Haydn vom Herausgeber Thomson lediglich die Melodien, nach denen er dann tätig wurde, ohne zu wissen, worum es in den dazugehörigen Gedichten ging. Ein ziemlich einmaliger Vorgang: Die Texte wurden erst nach Fertig- stellung und Erhalt der Partitur unterlegt – und eben nicht durch den Komponisten.“
Diese Tatsache ermutigte den Sänger, „die heute erhältlichen (..) Urtext- ausgaben nochmals wegzulegen – auch um eine kleine persönliche Hommage an Fritz Wunderlich zu verwirklichen“, so Gerhaher: „ Von ihm gibt es eine wunderbare Aufnahme dieser mit naturseligen deutschen Gedichten des 20. Jahrhunderts unterlegten Liedauswahl. Man möge mir verzeihen, wie sehr ich hier sogar meinen eigenen Tonfall dem seinen schwärmerisch angepasst habe.“
Mit dieser Verneigung vor dem großen Tenor beginnt der Bariton sein Programm. Es folgen Folksong Arrangements von Benjamin Britten – ganz und gar nicht volkstümelnd, sondern ziemlich eigenwillig und voller Überraschungen.
Mit den Schottischen Liedern op. 108 von Ludwig van Beethoven schließt sich dann der Kreis. Nach Haydns Tod 1809 wurde er von George Thomson um Arrangements gebeten; vor allem unkompliziert sollten sie sein, mahnte der Verleger. Das freilich bedeutet nicht, dass sie ohne Anspruch sind, wie man beim Hören dieser Aufnahme feststellen wird. Gemeinsam mit dem Geiger Anton Barachovsky und dem Cellisten Sebastian Klinger sowie mit seinem exzellenten Klavierpartner Gerold Huber gestaltet Christian Gerhaher diese Lieder als abwechslungsreiche, mitunter auch ziemlich handfeste Miniaturen. Hinreißend!
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