Weihnachten 1660 erklang in der Hofkirche des sächsischen Kurfürsten Musik, wie sie noch nie gehört worden war: Die Hofkapelle führte zum ersten Mal Die Geburth Christi, in stilo recitativo auf. Man könnte dieses Werk durchaus als das früheste deutsche protestantische Oratorium überhaupt betrachten. Heinrich Schütz (1585 bis 1672) hatte den biblischen Text, speziell Verse aus den Evangelien nach Matthäus (Kapitel 2, 1-23) und Lukas (Kapitel 2, 1-11), in Musik gesetzt, und sich dazu der verschiedensten Formen bedient, vom Rezitativ des Evangelisten, wie wir es heute noch beispiels- weise vom Weihnachtsoratorium kennen, über den Gesang des Engels, der den Hirten erscheint und ihnen große Freude verkündet, was man beinahe als geistliches Konzert zu bezeichnen geneigt ist, bis hin zum prachtvollen Chor der Engel oder zum Terzett der Weisen aus dem Morgenlande – ein geradezu mustergültiger Turba-Chor.
Schütz überarbeitete sein Werk mehrfach, bis 1664 schließlich die Historia der Freuden- und Gnadenreichen Geburth Gottes und Marien Sohnes, Jesu Christi, unsers Einigen Mitlers, Erlösers und Seeligmachers in jener Form fertiggestellt war, die wir heute kennen; 1671 erfolgten dann noch einige Revisionen. Diese Musik ist im übrigen ein gutes Beispiel dafür, dass Menschen auch im hohen Alter durchaus noch etwas gänzlich Neues erschaffen können; Kreativität ist eben kein Privileg der Jugend.
Schütz' Weihnachtshistorie war ein großer Erfolg; alle wollten diese uner- hörte Musik anhören – und aufführen. Sie hat bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt, und steht im Mittelpunkt dieser CD mit dem Choeur de Chambre de Namur und dem Instrumentalensemble Le Fenice unter Jean Tubéry. Die beiden umfangreichsten Partien, der Evangelist und der Engel, werden von Tenor Hans-Jörg Mammel und Sopranistin Claire Lefilliâtre gesungen; sie sind auch in den anderen Stücken zu hören – Mach dich auf, werde Licht, Zion aus den Opella Nova II von Johann Hermann Schein, Gegrüsset seist Du, Holdselige! von Matthias Weck- mann sowie Magnificat und Hodie Christus in der Vertonung durch Heinrich Schütz.
Mich begeistert die Aufnahme allerdings nicht wirklich. Wenn Schütz und seine Zeitgenossen für Sänger komponierten, steht der Text immer absolut im Vordergrund. Die Musik dient dazu, das Wort auszulegen. Hört man diese CD, werden die Sänger leider von Instrumentalklängen regelrecht zugedeckt, was ich sehr bedauerlich finde. Es mag noch so hinreißend musiziert sein – aber eine solche Interpretation geht am Wesen dieser Musik vorbei. Schade.
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