Sylvius Leopold Weiss (1687 bis 1750) war königlicher Kammerlautenist am Hofe August des Starken in Dresden. Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) war Thomaskantor in Leipzig. Die beiden Musiker kannten und schätzten sich; gut dokumentiert ist beispielsweise Weiss' Besuch 1739 bei seinem Kollegen in Leipzig. Begegnet sind sich beide aber möglicherweise schon viel früher: 1719 musizierte Weiss am Köthener Hof, wo Bach bis 1723 als Hofkapellmeister wirkte.
Weiss war zudem mit Bachs Sohn Wilhelm Friedemann Bach befreundet, der 1733 Organist der Dresdner Sophienkirche wurde, und er unterstützte auch die Bewerbung Carl Philipp Emanuel Bachs als Cembalist am preußischen Hof. Insofern ist es eine ausgezeichnete Idee des Geigers Johannes Pramsohler und des Lautenisten Jadran Duncumb, Werke beider Musiker auf einer CD zu vereinen.
Im Zentrum dieser Einspielung steht die Suite in A-Dur BWV 1025, die der Musikwissenschaft so manches Rätsel zu lösen gibt. Sie ist in zwei Handschriften überliefert; eine davon hat Bach begonnen, doch dann setzt eine andere Schreiberhand fort. Und am Ende der ersten Seite mit dem Beginn der Cembalo-Stimme ist dann auf einmal der Violinpart notiert; außerdem finden sich wohl Spuren von einem Streichbass, was auf eine Triosonate hindeuten könnte. Eine komplette Version hingegen bietet eine Abschrift, die Carl Philipp Emanuel Bach 1749 angefertigt hat. Der Cembalo-Part dort ist identisch mit einer Suonata in einem Dresdner Notenband, der ansonsten ausschließlich Kompositionen von Weiss enthält.
„Spielt man jedoch die Lautensonate aus dem Dresdner Manuskript alleine, bleibt sie ein schwer verständliches Werk“, schreiben die beiden Musiker im Geleitwort zu dieser CD. „Es trägt die Markenzeichen von Weiss – mit den idiomatischen Tricks, die er benutzt und seine typischen harmonischen Sequenzen, die ganz anders als jene Bachs klingen. Wenn man sich Sätze wie Courante, Menuet und Sarabande ansieht, überrascht es aber, wie wenig sie von Weiss' üblichem Sinn für Humor und Virtuosität zeigen.“
Möglicherweise haben Bach und Weiss diese Suite gemeinsam geschaffen. Wir werden es aufgrund der Quellenlage sicherlich nicht mehr herausfinden, aber wir können uns an diesem Werk erfreuen – zumal dann, wenn es so versiert vorgetragen wird wie von diesen beiden exzellenten Musikern. Pramsohler und Duncumb präsentieren zudem jeweils noch ein weiteres Stück der beiden Komponisten: Von Sylvius Leopold Weiss erklingt die Suite in a-Moll für Laute, und von Bach die Partita II in d-Moll BWV 1004.
Wer noch mehr Lautenmusik vom Dresdner Hof hören möchte, dem sei an dieser Stelle noch eine weitere CD empfohlen – Jadran Duncumb stellt, ebenfalls bei Audax, Werke von Weiss und von Johann Adolf Hasse (1699 bis 1783) vor. Brillante Lautenmusik, sehr gut gespielt.
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